Slip ouvert [6]

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Lilie, Zehntausend Kilometer weiter zur gleichen Zeit, nicht jedoch zur gleichen Stunde – in Tokyo war es bereits zehn Uhr abends -, schlenderte Rudolf zusammen mit seinem japanischen Arbeitskollegen Masahiro Sakai, mit dem er sich angefreundet hatte, durch die Gassen des Yoshiwara. Der Himmel war nachtschwarz, aber die Hitze hatte kaum nachgelassen. Die hohe Luftfeuchtigkeit trieb ihm den Schweiß aus allen Poren, ließ die Haare sich kräuseln und die Kleider am Körper kleben. Noch vor einer Stunde hatten die beiden am Treseneines Sushi-Restaurants gesessen, ihr Bier getrunken, und natürlich war das Gespräch bald auf das Thema Frauen gekommen.
“Ich könnte es nicht so lange ohne Frau aushalten“, hatte Masahiro gemeint.

“Und was würdest du tun?“ “Ich würde in ein Türkisches Bad gehen.“ Rudolf wurde hellhörig, denn davon hatte er bereits einiges gehört, aber nie etwas Konkretes. “Was hat es damit auf sich?“, fragte Rudolf betont gelassen, obwohl es ihn brennend interessierte. “Was soll es schon auf sich haben. Die Frauen zu Hause bieten das nicht, und wir können es von ihnen auch nicht verlangen, was wir dort erhalten.

Deswegen gehen wir dorthin. Mit Untreue hat das nichts zu tun.“ Etwas ähnliches habe ich doch schon gehört, dachte Rudolf, nur dass es Corinna, seine eigene Frau, gewesen war, die eine solche Ansicht vertreten hatte. “Und was bieten diese Bäder, was ihr von euren Frauen nicht bekommt?“ “Das müßtest du schon selbst herausfinden. Wenn du willst, begleite ich dich in ein solches Haus“, erbot sich Masahiro.

“Aber bezahlen mußt du selbst, die Preise sind nämlich nicht niedrig.“ Rudolf beschloß, die Probe aufs Exempel zu machen.
Mit dem Taxi fuhren die beiden zum Yoshiwara, dem alten, wenn auch nicht ehrwürdigen Freudenviertel von Tokyo, das schon bestand, als die Stadt noch Edo hieß und statt Mitsubishi die Shogun das Land regierten. Also nicht allein Reinigung, auch Muße und alles das, was der Mann sonst noch braucht, bieten diese Bäder, erfuhr Rudolf während der Taxifahrt von Masahiro. Im Yoshiwara, der größten Ansammlung solcher Einrichtungen in Japan, buhlen nicht weniger als hundert-siebzig Häuser um die Gunst der Besucher. Und täglich werden es mehr.

Deshalb mußte die Polizei, nein, nicht die Prostitution – die nimmt sie nicht zur Kenntnis, weil nicht sein kann, was es rechtens nicht gibt -, sondern die Eröffnung weiterer Bäder einschränken, um nicht die Zahl der Etablissements ausufern zu lassen. Die Besitzer der bestehenden Häuser werden es ihr danken, verhindert doch dieses Verbot gleichzeitig auch eine Zunahme der lästigen Konkurrenz. Eine eigenartige Mischung von japanischen und europäischen Elementen offenbarte sich Rudolf in diesem Stadtviertel. Sie zeigte sich bereits in der märchenhaften Architektur und der phantastischen Dekoration.

Hinzu traten romantische Namen, die Masahiro übersetzte. Japanische – wie “Engelspalast“, “Königinschloß“, “Duftendes Juwel“, “Liebliche Prinzessin“ – wetteiferten mit ausländischen Bezeichnungen wie “Ladies Academy“, “Madame Joy“, “Arabian Night“, “Renaissance“, “Harem 69“… Die Phantasie schien grenzenlos.
Ein Haus weckte die besondere Aufmerksamkeit Rudolfs. Er blieb davor stehen.

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“Junge Braut“ stand in Leuchtschrift unter einem von Scheinwerfern angestrahlten Relief. Halb war es die Jungfrau, die gnadenreiche, halb die Göttin Kannon, die barmherzige, die da auf dem himmelblauen Stuckrelief erschien. Von Putten umgeben, mit Rosen umkränzt, schwebte das Mädchen in der Pose einer Madonna vor dem Hintergrund von Schlagrahmwolken. Einen eigenartigen Kontrast zu dem kindlichen, unerweckten Gesicht bildete die raffiniert erotisierende Gestik ihres Körpers, die das wallende Gewand eher betonte als verbarg.

“Wollen wir hier hineingehen?“ Rudolf nickte. Der Vörraum wirktewie das Foyer eines kleinen gepflegten Hotels. Während Masahiro die Modalitäten regelte, nahm Rudolf schon einmal im Sessel vor einem niedrigen Tisch Platz. Ein junger Mann in Pagenuniform – schwarze Hose, weinrotes Jäckchen -, in der Hand ein Tablett mit einer Cognacflasche und zwei Schwenkern darauf, beugte vor ihm das Knie und schenkte ein Glas ein.

Mit einem dankbaren Blick nahm er das Getränk an. Solch ein Service behagte ihm.
Hätte Rudolf gewußt, dass Corinna zur nämlichen Zeit ebenfalls einen Cognac zur Begrüßung erhielt, aus der Hand des “sympathischen Mannes“, er wäre wohl kaum so glücklich gestimmt gewesen. So aber harrte er in aufgeregt freudiger Erwartung der Dinge, die da kommen würden. Es kamen aber keine Dinge, auch stelzten keine Kurtisanen, wie man sie auf Holzschnitten findet, auf hohen Holzsandalen heran, in kostbare Kimonos gekleidet, das schwarze Haar zu kunstvollen Frisuren gesteckt, das den Kontrast des weiß geschminkten Gesichts noch hob, vielmehr erschienen zwei frische junge Mädchen, auch sie uniformiert.

Sie trugen dunkelblaue Röcke und weiße Blusen. Ihre Füße steckten in weißen Söckchen und schwarzen Halbschuhen. Sie hätten Zwillinge sein können. Vor den Gästen verneigten sie sich tief.

“Irasshaimase.“ “Herzlich willkommen“, übersetzte Masahiro.
Willig folgte Rudolf seiner “jungen Braut“ in ihr Gemach, eine Kombination aus Baderaum und Schlafzimmer. “Yuri“, sagte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf ihre Nase. Rudolf verstand, dass dies der Name seiner Gespielin für die nächste Stunde sei. In Japan zeigtman auf die Nase und nicht auf die Brust, wenn man auf sich deutet.

Dass Yuri auf deutsch “Lilie“ heißt, erfuhr er später von Masahiro. Das Mädchen bedeutete ihm, dass er sich ausziehen solle. Sie half ihm beim Entkleiden und legte die Garderobe pedantisch ordentlich in einen bereitstehenden Plastikkorb. Während Rudolf schon nackt auf der Bettkante saß, pellte sich Yuri aus Rock und Bluse.

Es fielen auch der Büstenhalter und das Höschen. Weiße Haut leuchtete hervor, formte sich zu Linien, offenbarte schließlich einen vollendeten Mädchenleib mit winzigen Brüstchen und einem allerliebsten kleinen dunklen Dreieck an der richtigen Stelle. Beide waren sie jetzt bereit für die Liturgie der Liebe, er im Adamskostüm, sie im schönsten Kleid, das ein junges Mädchen für solch eine Handlung überhaupt tragen kann, in ihrer nackten, pfirsichsamtenen Haut.
Zum Auftakt gab es ein heißes Bad, denn nichts erfrischt in der drückenden Sommerschwüle besser und stimmt für die nachfolgenden Freuden ein. Anschließend ließ sich Rudolf auf einem Hocker nieder, und Yuri rieb den Männerkörper mit einer wohlduftenden Lotion ein, die Füße zuerst, die Knöchel, die Knie, die Schenkel, dann Schultern, Rücken, Bauch und natürlich sein Glied und die Hoden, denen sie ihre besonders intensive Zuwendung angedeihen ließ.

Es kitzelte angenehm, als Yuris Finger den Eichelkranz und das Fältchen darunter berührten. Unter ihren zärtlich wissenden Händen wuchs Rudolfs Glied zu seiner vollen Größe heran. Dabei lächelte sie ihn andauernd an. Der Praefatio war Genüge getan.

Jetzt mußte er sich auf eine goldenglitzernde, wassergefüllte Matratze legen, die sich dicht neben der im Boden eingelassenen Wanne befand. Yu-ri rieb sich mit einem besonderen Schaum ein, ihren ganzen niedlichen, nackten Körper. Die Seifenmassage konnte beginnen.
Rudolf solle sich auf den Bauch umdrehen, bedeutete ihm Yuri. Bereitwillig folgte er der Aufforderung.

Er fühlte das leichte Gewicht des Mädchenkörpers auf dem seinen ruhen, bis er allmählich über den Hügel seines Pos und die Beine herabglitt. Zwei-, dreimal wiederholte sich dieses für Rudolf höchst angenehme Spiel. Nun sollte er sich wieder wenden und mit dem Rücken auf der Wassermatratze liegen. Abermals legte sich das nackte Mädchen auf seinen Körper und umarmte ihn.

Sacht, ganz sacht, mit gespreizten Schenkeln glitt sie wieder abwärts. Rudolf spürte eine feuchte Wärme, die weich und sanft sein Glied umschloß. Im Hinunter-gleiten hatte ihr Geschlecht sein Glied aufgenommen. Regungslos verharrte sie.

Doch nicht für lange, denn schon hob sie ihren Oberkörper und bewegte sich nach vorn, um die erregende Zeremonie von neuem einzuleiten. Der Introitus war vollendet.
Anschließend eine Pause, während der Rudolf auf der Bettkante saß, eine Zigarette rauchte und einen Fruchtsaft trank, zu seinen Füßen das Mädchen, das zu ihm hoch sah und mit den Lippen zärtlich sein Glied umspielte. Es folgte der Coitus. Für den Höhepunkt des wohlarrangierten Liebesrituals mußte sich Rudolf mit dem Rücken auf das Bett legen.

Mit geöffneten Schenkeln kniete sich Yuri über ihn, das Gesicht ihm zugewandt. Zärtlich nahm sie sein Glied in die Hand, schob die Vorhaut zurück, hob etwas ihren Körper, setzte seine pralle Eichel an die Schamlippen und tippte dage-gen. Leise seufzend nahm sie sein Glied auf. Die geschlossenen Augen, der gesamte Gesichtsausdruck des Mädchens spiegelten die Konzentration wider, mit der sie Rudolf zu befriedigen suchte.

Kaum dass Yuri das Becken bewegte. Stattdessen erweckten die Kontraktionen ihrer Vagina in ihm süße Gefühle, die ihn bald zum Gipfel der Wonne führten. Als er sich in sie ergoß – viel zu schnell, wie er meinte -, hatte er das Gefühl, von den Scheidenmuskeln buchstäblich ausgesogen zu werden. Die Communio war geschehen.
Mit einem tiefen Seufzer ließ sich das Mädchen neben Rudolf fallen und lag einige Augenblicke schwer atmend neben ihm, bis sie lächelnd wieder zum Leben erwachte.

Zärtlich spielten ihre Finger an dem klein gewordenen Glied. Außer “Yuri“, ihrem Namen, hatte das Mädchen während der ganzen Zeit kein einziges Wort gesagt. Rudolf wußte jetzt, dass Erotik vor allem Zärtlichkeit bedeutet, Liebenswürdigkeit und ein Einfühlen in den anderen. Das hatte ihn die “junge Braut“ aus dem Yoshiwara gelehrt.

Als er, wieder auf der Straße, Masahiro diesen Eindruck mitteilte, winkte dieser ab. “Das ist nur eine Seite der japanischen Erotik. Es gibt aber noch eine andere, eine handfeste.“ “Nacktheit“, so Masahiro weiter, “ist im täglichen Leben Japans noch immer mit einem Tabu belegt. Kein Wunder also, dass der japanische Mann ein Ventil gesucht und gefunden hat.

Beispiel ’Liberal Theatre’. Darin sitzen in primitiv ausgestatteten Kellern der Großstädte die Männer auf klapprigen Stühlen und bestaunen mit offenen Mündern die nackten Schönen oder auch weniger Schönen, die auf der Bühne tanzen. Wenn dann das Mädchen am Rand der Bühne niederkauert und denBlick zwischen die weit geöffneten Schenkel preisgibt, geraten sie vollends aus dem Häuschen und scheinen geradezu in die weit klaffende Schamspalte hineinkriechen zu wollen. So nahe versammeln sie sich davor oder recken die Hälse, um sich auch ja kein Detail entgehen zu lassen.

Den Abschluß eines jeden Auftritts bildet dann der öffentlich vollzogenen Koitus mit einem der Männer aus dem Publikum. Wenn sich mehrere Männer gleichzeitig dazu melden, wird geknobelt, wer das Mädchen besteigen darf. Dieses Ereignis wiederholt sich alle fünfzehn Minuten. Sexualität kann erhaben zärtlich sein, sie kann aber auch obszön primitiv sein.

Es kommt auf die Einstellung beziehungsweise die jeweilige Situation an. Ist das bei Euch in Europa nicht auch so?“Sie schlenderten weiter, Rudolf und sein Freund Ma-sahiro. Im Gehen zündeten sie sich eine Zigarette an. “Was tun mit dem angebrochenen Abend?“ Masahiro schaute auf seine Uhr.

“In Tokyo gehen die Lichter erst sehr spät aus.“ Dann nach kurzem Überlegen: “Ich kenne ein Studio hier in der Nähe, das Happenings einer besonderen Art veranstaltet. Kommst du mit?“ “Happenings welcher Art?“ “Das verrate ich nicht.“ Rudolf ging trotzdem mit. Das Studio entpuppte sich als ein gewöhnliches japanisches Zimmer, ausgelegt mit Tata-mi, den üblichen Reisstrohmatten, im Obergeschoß eines unscheinbaren Hauses. Ein paar Männer saßen bereits auf dem Boden, die Beine verschränkt, schweigend den Blick auf das Arrangement in der Mitte des Raumes gerichtet.

Vor einem niedrigen Stuhl stand ein junges Mädchen, nur mit einer Bluse bekleidet, den Unterkörper entblößt, zu ihren Füßen eine Dose mit roterTusche, darin eingetaucht ein dicker Pinsel, daneben ein Stoß leerer Blätter. Noch aber geschah nichts. Das Mädchen wartete, bis auch die Neuankömmlinge sich niedergelassen hatten.
“Sie stellt Mantaku her“, flüsterte Masahiro seinem Freund zu. “Mantaku?“ “Ja, Mantaku“, erklärte Masahiro flüsternd weiter.

“Das ist ein Wort, mit dem selbst die wenigsten Japaner etwas anfangen können, wenn sie nicht wissen, um was es sich handelt. Zusammengesetzt ist es aus den ersten Silben zweier Wörter: Manko, ein weitverbreiteter, aber nicht gerade feiner Ausdruck für die weibliche Scham, und Takuhon, die geriebene Kopie, wie sie in den Steinabdrücken überliefert ist. Dabei handelt es sich um einen Abklatsch, der von einem in der Fläche gefärbten Stein genommen wird, so dass die geritzten Schriftzeichen oder Figuren weiß auf dem getönten Papier erscheinen. Folglich ist ein Mantaku der Abdruck, der von der weiblichsten Stelle der Frau genommen ist und deren Form direkt wiedergibt.“Jetzt war das Mädchen bereit für den ersten Probedruck.

Auf die gepolsterte Sitzfläche des Stuhls legte sie ein Blatt Reispapier und stellte sich mit gespreizten Beinen darüber, in der Hand den Pinsel, den sie vorher ausgiebig mit der zinnoberroten Tusche eingefärbt hatte. Den Oberkörper vorgebeugt, bepinselte sie sorgfältig die Wülste ihrer kleinen, kahlen Spalte, sozusagen die Matritze. “Es kommt auf den Farbauftrag an, auf den Druck, mit dem sie sich auf die Unterlage setzt und wie sie sich dann bewegt“, erklärte Masahiro mit leiser Stimme weiter. “Generell gilt nur die ovale Form als vollkommen, die innen ausgespart ist und ringsherumfeine Punkte aufweist.

Um diesen Effekt zu erreichen, hat sie sich vorher das Schamhaar rasiert.“Das Mädchen legte den Pinsel weg und setzte sich vorsichtig auf das Papier, rutschte mit dem Po einige Male hin und her und hob dann vorsichtig den Hintern, an dem das Blatt klebte. Behutsam löste sie es mit den Händen von der Spalte und präsentierte das soeben entstandene Kunstobjekt dem gaffenden Publikum. Topographie der Lust. Nachdem auf diese Weise mehrere Blätter bedruckt waren, verließ das Mädchen den Raum, um sich von der Tusche zu säubern.

Wenig später erschien sie aus dem Bad, diesmal völlig nackt, kauerte sich hin und breitete die Blätter vor den Zuschauern aus. Ein besonders gut gelungenes Exemplar, das den Qualitätskriterien vollkommen entsprach, erstand Masahiro. “Das schenke ich dir zur Erinnerung an diesen Abend“, sagte er und drückte es Rudolf in die Hand.
Nach diesem Schnellkursus in japanischer Erotik setzten Rudolf und Masahiro ihren Spaziergang durch das Yoshiwara fort, bis sie an einer niedrigen, unscheinbaren Weide anlangten. An ihrem Fuße eine Tafel mit japanischen Schriftzeichen.

“Diese Weide kennzeichnet die Grenze des Yoshiwara“, erklärte Masahiro. “Ich übersetze einmal, was auf der Tafel steht: ’Hier stand zur Edo-Zeit das Tor zum Yoshiwara. Wenn die Vergnügungssuchenden aus ihren Liebesträumen erwachten, begaben sie sich am nächsten Morgen zu dieser Trauerweide, und schweren Herzens blickten sie zurück zur Stätte ihrer Freude. Deshalb heißt dieser Baum Abschiedsbaum.’“


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Kommentare

Siegi 6. Juni 2021 um 12:09

Hat mir gut gefallen danke

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